Mehr als eine Stunde verbringen die Deutschen täglich auf Facebook, Instagram oder Twitter. Ob in Bussen und Bahnen, beim Arzt im Wartezimmer oder auf der Bank am Spielplatzrand: Social Media sind unser steter Begleiter geworden.
Sie vermitteln Freundschaft und Partnerschaft, Politik und Sport, Arbeit und Katzenvideos. Doch Social Media lenken auch ab, können neidisch machen und Schauplatz von Hassrede und Anfeindungen sein.
Wie gefährlich sind Social Media? Ist die Nutzung noch sozial oder schon eher Zeichen von Einsamkeit? Reduzieren Social Media die Lebenszufriedenheit?
Eine exakte Antwort lässt sich hierauf nicht geben. Auch nicht aus wissenschaftlicher Perspektive. Aber es gibt drei zentrale Erkenntnisse aus der Forschung, die Leitplanken sein können, und die ich im Folgenden vorstelle.
1. Lebenszufriedenheit ist überraschend stabil
Der European Social Survey befragt seit 2002 alle zwei Jahre die Bürgerinnen und Bürger Europas hinsichtlich ihrer Lebenszufriedenheit und sozialen Eingebundenheit. Mittlerweile liegen die Antworten von über 350.000 Personen vor. Was zeigen die Ergebnisse?
Dass unsere Lebenszufriedenheit erstaunlich stabil ist.
Gemessen auf einer zehnstufigen Skala, liegt der niedrigste Wert der allgemeinen Lebenszufriedenheit bei 7.02, gefunden im Jahr 2006. Der höchste Wert liegt bei 7.81, gemessen im Jahr 2018.
Seit der Einführung von Social Media – Facebook ist seit 2006 öffentlich zugänglich – geht es Menschen in Europa also keineswegs schlechter. Das erlaubt zwar keinerlei kausale Rückschlüsse auf Mediennutzung und es gibt auch noch keine Daten seit Pandemiebeginn.
Aber: Es scheint zumindest keinen Grund für eine allgemeine Besorgnis zu geben. Im Gegenteil, wenn überhaupt gibt es einen Trend zu mehr Lebenszufriedenheit.
2. Medieneffekte werden überschätzt
Medieninhalte prägen Meinungen, zeichnen ein Bild der Welt, begleiten uns ein Leben lang. Medien beeinflussen uns. Die zunehmende Erkenntnis lautet aber: Im Durchschnitt tun sie dies weniger als allgemein angenommen.
Ob wir zufrieden mit unserem Leben sind, hängt hauptsächlich von anderen Dingen ab. In erster Linie ist das unsere genetische Prädisposition. Exakte Bezifferungen sind schwierig, aber konservative Schätzungen gehen davon aus, dass Gene mindestens 50 Prozent unserer Lebenszufriedenheit bestimmen.
Wir sprechen nicht von ungefähr über Miesepeter und Frohnature.
An zweiter Stelle folgen dann psychosoziale Aspekte wie körperliche Gesundheit, finanzielles Einkommen, soziale Unterstützung, persönliche Freiheit und allgemeines Vertrauen. Der World Happiness Report führt sogar den Faktor “Großzügigkeit” an — von Mediennutzung ist allerdings keine Rede.
Wie groß sind die Effekte von Social Media nun genau? In einer Studie gemeinsam mit Dr. Amy Orben (Universität Cambridge) und Dr. Andy Przybylski (Universität Oxford) analysierten wird die Mediennutzung und Lebenszufriedenheit von über 12.000 britischen Teenager. Die Erhebung geht über einen Zeitraum von acht Jahren, es ist weltweit die vermutlich größte Längsschnittstudie zum Thema.
Ergebnis: Die Social Media-Nutzung beeinflusste die Lebenszufriedenheit so gut wie gar nicht. Weniger als ein Prozent der Veränderung in Lebenszufriedenheit lassen sich auf die Social Media-Nutzung zurückführen.
3. Es kommt drauf an
Unter Medienpsychologen gibt es, angelehnt an George Orwell, das Sprichwort “No screen time is created equal”. Denn es macht einen großen Unterschied, ob wir Social Media aktiv nutzen, bspw. um uns mit unseren Freunden zu unterhalten, oder ob wir lediglich passiv durch den Newsfeed scrollen. Es ist auch nicht das gleiche, ob wir die Fotos unserer eigenen Timeline betrachten oder die eines entfernt Bekannten.
Die allgemeine Wirkung von Social Media lässt sich kaum quantifizieren, denn es kommt stets auf den Inhalt, den Nutzer und die Art der Nutzung an.
Interessanterweise profitieren gerade ältere und sozial abgeschnittene Menschen stärker von der Nutzung. Sowohl exzessive Nutzung als auch komplette Abstinenz sind hingegen mit weniger Lebenszufriedenheit assoziiert. Die gefundenen Effekte bleiben allerdings meist sehr klein.
Fazit: Ruhe bewahren, kritisch bleiben
Wie gefährlich sind Social Media? Zuerst, die Zufriedenheit mit unserem Leben ist überraschend stabil. Medieneffekte werden ganz allgemein eher überschätzt. Ob Social Media gut oder schlecht sind, hängt auch von unserer Nutzung und der Inhalte ab.
Ich kann durchaus empfehlen, die eigene Nutzung kritisch zu hinterfragen. Zu prüfen, wie viel Nutzung und welche Inhalte guttun.
Es ist aber keineswegs notwendig, gegenüber Social Media in allgemeine Panik zu verfallen.